Den heutigen Blogpost möchte ich gern dazu nutzen, um euch Anthologien näherzubringen. In diesem Beitrag zum Autorenwissen erkläre ich kurz, was eine Anthologie ist, und welche Vorteile sie für Autoren (und Leser) bieten. Außerdem erfahrt ihr, wie man sie darüber hinaus als Sprungbrett ins literarische Leben sehen kann und Nadine Schwartz (@derclubderselfpublisher) hat für euch einige Fragen zu der Entstehungsgeschichte der Anthologie „24 Kurzgeschichten zum Advent: Winterliche Schlüsselmomente“ beantwortet.
Was ist eine Anthologie
Herkunft des Wortes
Was ist eine Anthologie? Der Begriff Anthologie stammt vom griechischen Wort ἀνθολογία (anthología), das auf deutsch „Sammlung von Blumen“ bedeutet. Dabei handelt es sich um eine Sammlung ausgewählter Texte oder Textauszüge in Buchform oder im weiteren Sinne eine themenbezogene Zusammenstellung aus literarischen, musikalischen oder grafischen Werken. Diese Publikationsform wird von einem Herausgeber verantwortet.
Der Begriff wurde erstmals für die Lehrsatzsammlung Anthologiae des griechischen Astronomen Vettius Valens als Titel für ein Sammelwerk verwendet. Infolgedessen begann man Sammlungen als Anthologien zu bezeichnen. Eine Sonderform der Anthologie stellt die Chrestomathie dar: Sie wurde oft als Lehrwerk eingesetzt, da sie den Schülern erlaubt, ein bestimmtes Thema aus verschiedenen Blickwinkeln vermittelt zu bekommen. Mit den unterschiedlichen Schreibstilen der Autoren dienten sie ebenfalls dazu, das Lesekönnen und Textverständnis zu verbessern.
Heutige Begriffsverwendung
Heutzutage ist eine Anthologie eine oft von verschiedenen Autoren verfasste Sammlung von Kurzgeschichten (Fiktion oder Nonfiktion), Essays, Gedichten oder andere Formen von Texten. Oft widmet sie sich dabei einem bestimmten Thema. Als Beispiele (oft auch in Kombination) lassen sich dabei nennen:
- Texte der gleichen Gattung: z. B. Gedichte, Kurzgeschichten, Reiseberichte, Liebeslieder, Märchen;
- Werke oder Künstler bestimmter Regionen oder Dialekte, z. B. Österreich, Fränkisch, Trier;
- Anthologien über Themen und Erlebnisse: Angst, Feuer, Begegnung/erstes Kennenlernen, Heimat, schwarzer Humor, Romantik, Traum, Science-Fiction, Weihnachten
- u. v. m.
Viele Anthologien werden auch über Wettbewerbe von Verlagen, Vereinigungen jeglicher Art oder Einzelpersonen realisiert.
Anthologien – lohnt sich eine Teilnahme?
Wieso ist es nun also – gerade für Jungautoren – so spannend, an Anthologien teilzunehmen und gleichzeitig so schwer? Es gibt einige Punkte, die als Vorteile immer wieder genannt werden.
- Ganz pragmatisch: Jede Aufnahme in eine Anthologie ist ein weiterer Eintrag in der Bibliografie und
- der berühmte Mehrwert: Man kann neue Genres ausprobieren oder wagen und
- man lernt andere Leute kennen, man vergrößert das eigene Netzwerk
Was man auch nicht außen vor lassen sollte: Man lernt den Buchentstehungsprozess kennen. Dazu sollte auf jeden Fall das Lektorat (ggf. Korrektorat) gehören. Je nach Beteiligungsgrad der einzelnen Autoren aber kommen auch andere Themen wie Buchsatz oder Covergestaltung dazu. Im Idealfall sollte man auch in das Marketing einbezogen werden, aber Buchmarketing ist ein Thema für sich. Allerdings ist das Marketing für eine Anthologie um einiges einfacher als etwa für eigene Werke, da oft ein guter Zweck im Vordergrund steht – ein solcher lässt sich für viele leichter in Szene setzen als die eigene Person.
Das große Aber
Allerdings gibt es auch ein Aber. So einfach es klingt, eine bestimmte Zeichen- oder Wortzahl herunterzuschreiben, so anspruchsvoll ist es, eine gute Kurzgeschichte zu schreiben. Kurzgeschichten folgen eigenen Regeln. Wenn man sich derer bewusst ist, stellt sich bisweilen eine gewisse Überforderung ein, selbst bei vermeintlich einfachen Themen oder Anforderungen.
Bei ausbleibendem Erfolg – wenn man zum Beispiel wiederholt nicht in Anthologien aufgenommen wird – resignieren auch viele (Jung-)Autoren. Dann zweifeln sie an ihrem Können, wenn sie es nicht einmal schaffen, in eine einfache Anthologie aufgenommen zu werden.
Doch es ist genau wie bei Wettbewerben für Romane oder bei Verlagsbewerbungen: Hinter jeder Anthologie steht mindestens ein Mensch. Dieser Mensch will seinen eigenen Anspruch in dieser Anthologie verwirklicht sehen. Er sieht sie vielleicht nicht nur als einfache Anthologie. Wenn dann von 100 Einsendungen 20 besser gefallen, bleibt man als Nummer 21 außen vor.
Die Vorteile überwiegen
Dennoch überwiegen die Vorteile. Selbst bei einer Absage hat man einen weiteren Text geschrieben und Erfahrungen für die Schreiblaufbahn gesammelt. An dieser Erkenntnis hatte ich selbst ein wenig zu knabbern: Als ich 2017 entschied, mich vermehrt mit Ausschreibungen zu beschäftigen, statt den nächsten Bestseller im stillen Kämmerlein zu schreiben (bzw. zu verwerfen), begann ich mit Kurzgeschichtenausschreibungen. Meine ersten Einsendungen wurden beide nicht angenommen. Fünf Jahre und viele Absagen für andere Texte später sehe ich die Schwächen in diesen Kurzgeschichten deutlich und freue mich, viele Fortschritte gemacht zu haben.
Mein erster Kurzgeschichtenbeitrag für eine Anthologie kam übrigens 2021 in der Anthologie „Gefühle auf Abstand – Stories aus dem Lockdown“ zur Corona-Pandemie heraus, kurz vor dem Erscheinen meines Debüts Alpaka 66 im digitalen Imprint des Piper Verlags.
Obacht!
Wie so vieles ist aber nicht alles Gold, was glänzt: Auch bei Ausschreibungen muss man oft sehr genau hinschauen, v. a. wie es mit dem Honorar (keine – v.a. bei sogenannten Spendenanthologien –, fixe oder anteilige Beteiligung), der Dauer der Rechtevergabe (sowie dem Umfang) oder etwa einer Mindestabnahme durch den Teilnehmer aussieht. Auch wenn kein Lektorat durchgeführt werden soll oder man diese Kosten dem Teilnehmer aufdrücken will, sollte Vorsicht geboten sein.
Wo findet man Anthologie-Ausschreibungen?
Um nach aktuellen Ausschreibungen für Anthologiebeiträge zu suchen, beehrt man am einfachsten eine Suchmaschine mit etwa dem Suchbegriff „Literaturausschreibungen“. Dort lassen sich allerlei Linksammlungen finden, die aktuelle Ausschreibungen beinhalten. Ein weiterer guter Anlaufpunkt sind die sozialen Medien: Auf Instagram finden sich einige Accounts, die sich mit diesem Thema befassen, viele Verlage oder Autorenvereinigungen veröffentlichen dort ihre Ausschreibungen zusätzlich und auf Facebook gibt es diverse Gruppen dazu.
Die andere Seite: Eine eigene Anthologie herausbringen
Häufig ist der Wunsch zu helfen, ein Grund, eine Anthologie herauszubringen, denn sie lassen sich auch mit beschränkten Mitteln realisieren. Auch kann man so viele Menschen dazu bewegen, (indirekt) eine Kleinigkeit zu spenden, denn im Gegenzug dafür erhalten sie sogar noch etwas.
Anthologien sind auch eine interessante und ungewöhnliche Möglichkeit, die andere Seite kennenzulernen, nämlich die eines Herausgebers. Als Herausgeber kümmert man sich um diese Dinge, die im Idealfall ein Verlag (und dort vielleicht sogar ein ganzes Team) verantwortet. Abgesehen von dem Verfassen des Textes (heißt natürlich nicht, dass man nicht auch eine Geschichte beitragen kann), muss man sich um Lektorat, ggf. Korrektorat, den Buchsatz, die Covergestaltung und die Marketingstrategie kümmern. Das kann etwa ein gutes Übungsprojekt sein, wenn man im Selfpublishing durchstarten will, noch am Text sitzt, aber vorbereitet sein will.
Das Wichtigste auf dieser Seite ist aber, dass man mit den Autoren zusammenarbeiten muss. Das fängt bei den Fragen zur Anthologie selbst an, geht über die Beurteilung der Texte und ein angemessenes Vorgehen etwa beim Versenden von Absagen. Und so böse es auch klingt: Vielleicht erdet die Herausgabe einer Anthologie jemanden auch. Innerhalb der Einsendungen sind sicher auch einige Ausreißer mit niedrigerem Standard zu erwarten, was – zumindest bleibt es zu hoffen – so manchem Meckerfritzen ein wenig die Luft nimmt und verdeutlicht, wie schwierig es eigentlich ist, eine Auswahl aus einer Vielzahl von Einsendungen zu treffen. Denn wer hat nicht schon einmal gemeckert, wenn es nur Absagen für das tolle Buch – egal, ob schriftlich oder gar still? – gibt?
Und wie ist das als Leser?
Auch für Leser sind Anthologien interessant. Wie schon im alten Griechenland kann man sie zum Lernen nutzen, aber man kann sich vor allem bei gemischten Anthologien in andere Genres als denen der üblichen Komfortzone einlesen.
24 Kurzgeschichten zum Advent
Zu guter Letzt habe ich noch die Antworten auf einige Fragen, die ich den Initiatoren der Anthologie „24 Kurzgeschichten zum Advent: Winterliche Schlüsselmomente“ gestellt habe. Diese Anthologie wurde vom Club der Selfpublisher zusammengestellt und von Jes Schön herausgegeben.
In dieser Sammlung habe ich die Kurzgeschichte „Auf der Schwelle – Eine Geschichte aus dem GLYN-Universum“ beigetragen. Weitere Infos dazu (und wie sie sich in das GLYN-Universum einordnen lässt) findet ihr in meinem Blogpost „24 Kurzgeschichten zum Advent: Winterliche Schlüsselmomente“.
Wer ist eigentlich der/im Club der Selfpublisher?
Christian Anton, Amila Audry, Tino Breitenbach, Cécile Bruné, Jonathan Engert, Antje Grube, Rebekka Haindl, Sara G. Haus, Lucia Herbst, Cindy Jegge, Alexandra Leo, Mathilda Louise, Sarah Malhus, Izzy Maxen, Anne Naumann, Janine Niggemeier, Projekt Gambio, Jenny Schnickers, Jes Schön, Nadine Schwartz, Catrina Seiler, Corinna Stremme, Fenja van York, Sonja Wahl
Alle Einnahmen dieser Anthologie werden an Deutscher Kinderhospizverein e.V. in Olpe gespendet.
Fragen
Wie kamt ihr – der Club der Selfpublisher – auf die Idee, eine eigene Anthologie herauszugeben?
Wir hatten im Advent 2021 bereits mit mehreren Mitgliedern eine Art Adventskalender erstellt, bei der jede:r eine Kurzgeschichte auf seinem eigenen Instagram-Account gepostet hatte. Ich glaube, es war Tino, der dann in den Raum warf, dass wir das auch als ganzen Buch herausbringen könnten. Und die Idee hat sich dann irgendwie verselbstständigt und wir haben schnell konkrete Pläne geschmiedet.
Wie wurde das Thema ausgewählt?
Das haben wir im Rat der Elfen – so nennen wir unsere Gründungsmitglieder – besprochen. Aus mehreren guten Vorschlägen haben wir uns dann auf die Winterlich/Weihnachtliche Geschichte mit dem übergreifenden Thema Schlüssel geeinigt.
Was war die größte Schwierigkeit bei dieser Anthologie?
Oder gab es gar mehrere potenzielle Showstopper?
Die Autor:innnen immer wieder an die Deadlines zu erinnern und dafür zu sorgen, dass diese auch eingehalten werden 😉
Wir hatten ja einen festen Veröffentlichungstermin vor Augen und mussten immer und immer wieder daran erinnern, dass die Geschichten fertig werden, nach dem Lektorat überarbeitet werden oder die endgültige Abnahme nach dem Buchsatz. All dieses Koordinieren mit den unterschiedlichen Autoren war tatsächlich die größte Herausforderung.
Welche Marketingtipps für Anthologien und an zukünftige Anthologieherausgeber habt ihr parat?
Puuuuuh … eigentlich gilt für eine Anthologie dasselbe, wie für jedes andere Buch. Sei mit deinem Buch sichtbar und zeige Dich und dein Buch. Und zeige auch die Persönlichkeit(en) hinter dem dem Buch. Schön schwammig, ich weiß. Aber ein Patentrezept gibt es nun ’mal nicht.
Und?
Habt ihr schon einmal einen Beitrag zu einer Anthologie beigetragen? Gibt es noch etwas, was man eurer Meinung nach unbedingt beachten sollte, wenn man sich mit Anthologien näher beschäftigen will?
Quellen: